Liebster Karl,
Da ich von unserer lieben Mutter Dein abermaliges Übelfinden erfahren hatte, so konnte mich Dein Stillschweigen nicht wundern, nur seiner Ursache wegen betrüben. Es ist doch eine leidige Sache, der beständigen Wiederkehr einer solchen – wahrscheinlich rosenartigen? – Entzündung unterworfen zu seyn. Ich wünsche sehr, daß die projectirte Reise in’s untere Neckarthal Dir in dieser Hinsicht ersprießlich sey, obgleich ich zwischen Stuttg˖[art] und Mannheim in der Temperatur und Milde der Luft keine große Differenz annehmen kann. In andrer Hinsicht wird Dir die Zerstreuung sehr wohl thun. Unsre baiersche Gebirgsluft ist freylich für eine solche Reizbarkeit der Haut nicht sehr vortheilhaft, doch auch gewiß nicht nachtheilig. Indeß darauf dringen, daß Du hieher kommest, will ich nicht, obwohl in der bessern Jahreszeit ich auch besser für Deine Zerstreuuung und Erholung, als das letzte Mal, sorgen könnte. – Was die T˖[übinger] Stelle betrifft, so bin ich fest überzeugt, daß Du, troz einem gewandten Diplomaten, ganz das Rechte und wie man sagt, den Nagel auf den Kopf getroffen hast. Ich glaube, daß W˖[angenheim] es wirklich für eine Ehrensache ansieht, mich nach W˖[irtemberg] zu bringen, zugleich daß er mich in T˖[übingen] lieber weiß als in St˖[uttgart]; und da dieß mit meiner Neigung zusammentrifft, warum sollt’ es mir nicht lieb seyn? Doch bitte ich Dich recht sehr, jeden Gedanken von Solicitiren zu entfernen, quod equidem procul habeo. Kommt es, gut; kommt’s nicht, auch gut! Aus persönlichen Gründen kann es ohnehin mein Wunsch nicht seyn, nur aus wissenschaftlichen. Ich habe durch langes Zaudern, fortgesetzte Contemplation, eine Reife der Ausbildung, und zugleich einen Standpunct meiner Gedanken erlangt, bey dem ich eine akademische Wirkung nicht sowohl als vortheilhaft für mich, wie für diese verworrene Zeit und Welt halten kann. Doch bitte ich Dich, die dargebotne Gelegenheit nicht zu versäumen, und auch ein anständiges Mittel nicht zu verschmäh’n, Dich W˖[angenheim] wieder zu nähern, der denn doch in so manchen Beziehungen, besonders aber vergleichungsweise, aller Achtung werth ist. Wenn also die neue Somnambüle kommt oder Stoff zur Mittheilung giebt, so sey nicht spröde noch geizig. Wenn die allgemeine Rede mich, gleich zuerst, etwas mehr ergriffen und betroffen hat, so ist es hauptsächlich darum, weil ich diesen Weg, den die öffentliche Stimme bezeichnet, eigentlich für den einzigen halte, meinem Vaterlande so nützlich zu werden, als ich überhaupt vermag, und ebendarum auch für den meiner einzig würdigen. Nur auf den Fall, daß aus der Sache Ernst und Du gefragt würdest, bitte ich Dich gleich es so zu lenken, daß die sämmtlichen geistlichen Würden auf die andern, würdigeren Häupter übergehen, und ich bloß als C˖[anzler] und Prof. der Philos˖[ophie] in Anregung komme. Denn obwohl es möglich ist, daß ich von da einmal einen Übergang auch zur eigentlichen Theologie mache, so will ich doch dieses nur als Philos˖[oph] thun und die Freyheit, die ich als solcher genieße, nicht gegen eine beschränkendere Würde vertauschen. – Hier hast Du meine Gedanken im Allgemeinen; ob etwas und was, im besondern Falle noch zu thun wäre, überlasse ich gänzlich und zutrauensvoll Deiner Beurtheilung. Solltest Du W˖[angenheim] sehen, so ist das allgemeine Gerücht ein, wie mir dünkt, höchst natürlicher Anknüpfungspunct, den zu ignoriren auch wieder allzu störrig und wunderlich scheinen könnte. Dann magst Du im Zusammenhang sagen, daß Du Gründe habest zu glauben, diese Bestimmung werde mir nicht unangenehm seyn, daß ich mir aber einmal in den Kopf gesetzt, nichts selbst dafür zu thun, ja auch nicht einmal Veranlassung zu geben, weil ich dergleichen zu meiner eignen Beruhigung durchaus als höhere Fügung müsse betrachten können. – Überhaupt bleibe nur fein auf dem Weg, wie bisher, nichts zu versäumen oder abzuweisen, was sich anbietet, aber auch durch keinen nicht motivirten Schritt den Standpunct zu verändern, den Du selbst in Deinem Brief angegeben und den wir durchaus festhalten müssen, daß nicht ich so sehr froh zu seyn Ursache habe, als die, welche die Sachen leiten. –
Für Deinen Trost, so wie für Deine Verwendung wegen meiner krankhaften Beschwerden sage ich Dir herzlich Dank. Ich habe den Thee und das Pulver bereits angefangen zu brauchen und meine schon zu fühlen, wie viel besser, als andre, diese Veränderung mir zusage. Ich bitte Dich mir nur noch zu schreiben, ob ich diese Mittel regelmäßig eine Zeitlang fortsetzen soll, und wie lange? Ob, bis ich eine Veränderung meiner Natur fühle? Oder ob ich sie nur brauchen soll zu jedesmaligen Erleichterung?
Ich wünschte sehr, von Dir auch einige Mittheilungen über Deine neuesten Erfahrungen und Ansichten vom thier˖[ischen] Magnet˖[ismus] pp zu erhalten. Erst in diesen Tagen habe ich die Eschenmayer’sche Zeitschrift gelesen und nicht ohne Verwunderung gesehen, wie weit zurück in der Ansicht dieses großen Phaenomens noch die sämmtlichen Herausg˖[eber] sind. Die erzählten Geschichten vorn, und die theoretischen Raisonnements hinten machen den seltsamsten Contrast. E˖[schenmayer] will noch immer ein durch allerhand Organe und Instrumente vermitteltes Wunder daraus machen. Er ist durch’s Lehren eben nicht weiter gekommen, sondern der alte, ja fast scheint mir, weniger geistreich wie ehmals. Die Erzählung des Dr. Nick hat mir eigne Empfindungen verursacht. Die unendliche Merkwürdigkeit des Factums, und zwar wie mir scheint in bonam et malam partem, auf der einen Seite, und die schlechte Benutzung, unmethodische Behandlung auf der andern Seite können nur Unmuth erregen. Schreibe mir doch nur mit 2 Worten, wie viel oder wie wenig man, zufolge Deiner Kenntnis oder Meinung, von der Sache für wahr halten darf? – Sind Dir bei Somnambülen auch actiones in distans bekannt? Hier suchen wir jetzt das sogenannte Anmelden von Sterbenden, deßgleichen allerhand Spukgeschichten, ex˖[empli] gr˖[atia] Ohrfeigen oder Rippenstöße von unsichtbarer Hand, auch da unterzubringen. –
Leb’ recht wohl, liebstes Herz, grüße alle die Unsrigen aufs zärtlichste von uns, besonders Deine l˖[iebe] Frau und unsre gute Mutter. Bemühe Dich ja nicht, meiner Schwiegermutter oder Schwägerin zu antworten. Sie wollte bloß Dir danken, Du hast genug an ihr gethan, ihr gegenwärtiger Zustand gegen den früheren setzt mich in Verwunderung und macht Deiner ärzlichen Divination und actio in distans alle Ehre.
Nochmals leb’ recht wohl, ich hätte so viel mit Dir zu reden, aber das Papier faßt’s nicht. Kürzlich war Steffens auf einige Tage aus dem Karlsbad hiehergekommen, mich zu besuchen. Er ist ganz der alte in jedem Sinn; ich freute mich nicht wenig, ihn einmal wieder zu sehn.
Vale iterum atque iterum.
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]
Fr.