Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Sr. Hochwohlgebohrn

den Herrn von Schelling

Director der Kunstacademie

und Ritter

in

München

fr˖[ei]

Lieber Schelling!

Einigemahl habe ich Dir geschrieben, und zwar durch Freunde, die nach München reisten – Doch bin ich ungewiß, ob meine Briefe Dich getroffen haben. Ich wünschte recht sehr zu erfahren, wie Du Dich, nach Deiner letzten, schweren Krankheit befindest, ob die Nachricht, die ich durch Waagen erhalten habe, daß Carlsbad Dir so nützlich gewesen ist, zuverläßig ist – Wie sehr habe ich es bedauert, daß ich nicht hinkommen konnte. Aber es war mir, durch unangenehme Verhältniße gekettet, leider nicht möglich. Aber die Hofnung ein paar Monathe mit Dir in München zu verleben kann ich durchaus nicht aufgeben. Mein ganzes Studium erfordert eine Reise nach Vesuv und Auvergne, wenn der am letzten Orte geschichtliche Ausbruch so erloschen ist, wie der natürliche am Letztern. Vor allem aber danke ich Gott, daß ich nun alle Schriftstellerey, die mit der Politik in irgend einer Berührung steht, auf immer geschlossen habe. Diesen hindurch arbeite ich an einer Anthropologie, in meinem Sinne, schließe mein oryktogn˖[ostisches] H[an]db˖[uch] und gebe vermischte Schriften, physicalischen Inhalts heraus, Aufsätze, die meistens schon ausgearbeitet da lagen. Dann folgt die Kritik der Physik, die physikalische Geographie – die als Concentrationspunkt meine Ansicht der Menschenracen enthält, und wenn Gott mir Leben und Gesundheit gönnt, soll darauf die innere Naturgeschichte der Erde, mannigfaltig vorbereitet erscheinen.

– Ich hoffe, wenn auch nicht diesen , doch den darauf nach München zu kommen – Ist Thorwaldsen schon bey Dir gewesen?

Du hast dem guten Gustav Waagen, den ich so herzlich liebe, als waere er mein Sohn und der gewiß ein tüchtiger Mensch wird, die Aussicht auf einer Anstellung in München eröfnet. Wie sehr danke ich Dich, wie freue ich mich, Dir verpflichtet zu seyn für eine Wohlthat, die mir erscheint, als waere sie mir erzeigt. Was möchte ich nicht Dir und Deiner Liebe verdanken, Du treuester aller meiner Freunde. Aber ich fürchte der gute Waagen scheuet sich Dir zu sagen, wie nothwendig ihm eine möglichst schnelle Anstellung ist. Sein alter Vater wankt am Rande des Grabes und lebt, im Besitz eines wahren Schatzes an schönen Bildern, die er in der herrschenden Verwirrung nicht verkaufen kann, in der bittersten Armuth – Er muß sich anstrengen seinen Sohn zu unterstützen, und der gute Sohn quält sich. – Das ist seine Lage – Ich sage Dir nichts weiter, daß Du alles thun wirst, was Du vermagst, das weiß ich sehr wohl – Die Schwierigkeiten kann ich freilich nicht beurtheilen.

Denkt Deine gute, liebe Frau noch zuweilen an mich? Wie glücklich würde ich seyn, wenn einige Zeit in eurer Mitte verleben könnte. Wie steht es mit Deinen Arbeiten? Willst Du mir wohl ein paar Zeilen gönnen

Dein treuer

Steffens