Gar sehr, Verehrtester Freund, bedarf ich der Entschuldigung bey Ihnen wegen des langen Stillschweigens; meine Frau wird schon geschrieben haben, daß ich eine Zeit auf dem Land, in unsrem schönen Gebirg, zugebracht, wo ich mich, in der besseren Jahreszeit, gern von der hiesigen Flachheit in etwas erhole. Inzwischen habe ich zu meinem lebhaftesten Dank die Fortsetzung Ihres großen mineral˖[ogischen] Werks und das Diplom der Wetterauischen Naturforschenden Gesellschaft erhalten, welches ich ebenfalls nur Ihrer Güte verdanken kann. Ich bitte Sie in meinem Namen dieser mit Recht in ganz Deutschland hochgeachteten Gesellschaft meine wahre Verbindlichkeit zu bezeigen. Möchte es eher mit Werken als mit Worten geschehen! Aber Forschungen andrer Art haben seit einer Reihe von Jahren mich den Naturwissenschaften beynah’ entfremdet, zu denen ich kaum vor dem höheren Alter zurückkehren werde, wenn der gegenwärtige Mißbrauch der Ideen verschollen ist und man wieder auf einigen Dank der Naturforscher rechnen kann für Lichtstrahlen, die aus einer höheren Sphäre in das Dunkel der Naturerscheinungen fallen.
Meine Frau bedauert mit mir, daß Ihre Hierherkunft sich so weit hinausgezogen. Wir hoffen, bey der ersten Einrichtung Ihnen einige Dienste leisten zu können, nur werden wir bey Ihrer Ankunft wahrscheinlich nicht hier seyn; wir denken die ersten schönen Tage zu benutzen um unsren gewöhnlichen Sommeraufenthalt auf 1–2 Monate zu beziehen, wo sich Frau und Kinder auch erholen sollen. Doch die Witterung läßt sich nur allzuschlecht bey uns an; die großen Sonnenflecken scheinen dießmal wirklich Licht und Kraft aufzufangen. Für jeden Fall will ich Ihnen die für Sie gemiethete InterimsWohnung beschreiben. Sie fahren durch das Karlsthor, dann in die erste, der Akademie gegenüberliegende Straße (Eisenmannsgasse genannt), wo das obere Eckhaus rechter Hand im 2ten Stock Ihr Absteigequartier ist, mit dem Sie, hoffe ich, zufrieden seyn werden. – Da Sie erst kommen, so werden Sie auf jeden Fall bis es behalten müssen, wofern Sie nicht vorziehen, bis zum zu bleiben, wo der gewöhnliche Wechsel vorgeht.
Wie es nun mit unserer Reise werde, so wünsche ich, daß die Ihrige beglückt und vorzüglich seyn möge, und bitte Sie in jedem Falle auf unsere bereitwilligste Freundschaft und meinen Wunsch insbesondre zu rechnen, in gutem collegialischen Vernehmen mit Ihnen das Gute zu stiften, das vielleicht möglich ist.
Hat Schulze Hanau schon verlassen? Wenn nicht, so bitte ich Sie, ihm die freundlichsten Grüße und besten Wünsche von mir zu sagen. Es gehört mit unter die letztern, sobald meine gegenwärtigen Arbeiten vollendet sind, in Verbindung mit Solchen Männern auch einmal wieder etwas Gemeinschaftliches zu versuchen. – So eben wird Goethe’s Mayn- und Rhein-Kunst als fertig angekündigt.
Leben Sie recht wohl, bis zum auf jeden Fall, nahen Widersehn, und empfehlen Sie uns auch Ihrer Frau Gemahlin aufs Herzlichste.
Mit hinlänglich bekannter Gesinnung
Ihr
Ganz erg[e]b[en]ster
Schelling