Schelling Nachlass-Edition

Auch heute wieder kommt das Schreiben an mich, weil ein Anfall, den unser gutes Clärchen in der Nacht von vorgestern auf gestern bekam, uns alle, vorzüglich aber Pauline, erschöpft hat. Der Anfall dauerte von Nachts 1 bis Morgens 8 Uhr, er bestand in den heftigsten Krämpfen und Gichtern, die das Zahnen veranlaßte, und während welcher man nur durch die größte Anstrengung mit Reiben, Baden und Anwendung aller andern Mittel das Leben des Kindes retten konnte, das länger als eine Stunde sterbend war. Pauline hat sich wieder als treffliche Mutter gezeigt, nicht einen Augenblick verlor sie den Kopf, sie selbst leitete alles und da wir sogar des Arztes (unser gewöhnlicher war selbst krank) nicht sogleich habhaft werden konnten, hat sie eigentlich durch ihre Anordnungen das Kind gerettet, so daß, als endlich der Arzt dazu kam, alle Gefahr schon vorbei war. Gestern Abend schon war das Kind wieder völlig wohl, heiter und verlangte in die Luft. Diese Nacht hat es ununterbrochen geschlafen. Es ist dieß wohl der 4te Anfall den das Zahnen verursachte, einer kam während unsrer Abwesenheit, doch war er zum größten Glück nicht von der Heftigkeit des letzten. Pauline, die selbst noch Stärkung bedurfte, ist nun natürlich durch die große körperliche und Gemüthsanstrengung wieder neuerdings sehr angegriffen, doch, dem Himmel sey Dank, ohne alle bedenkliche Umstände. Nur schreiben kann sie heute nicht, doch hoffe ich soll sie heute wieder einen kleinen Ausgang machen. Unter diesen Umständen und da dergleichen Anfälle bey dem unaufhörlich Zahnen der Kinder leicht noch mehrere binnen Kurzem kommen könnten, muß die so sehnlich gewünschte Reise nach Gotha nun doch noch aufgegeben werden. Desto angenehmer werden hoffentlich die Umstände seyn, unter denen sie im nächsten Jahr statt findet. –