Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Fast sollte ich Anstand nehmen, Ihnen, mein innig werther Freund schon wieder zu schreiben, da ich nicht weiß, ob die Versicherungen freundschaftlichen Andenkens, dessen Sie ohnehin gewiß sind, Ihnen das theure Porto werth sind, und da ich auch dießmal so unbescheiden seyn muß, Ihnen noch andere Briefe beyzuschließen. Könnten Sie es nur erst dahin bringen, daß man in Ihre neuen Dep[artemen]ts wie in das andre Frankreich und umgekehrt von diesem zu uns garnicht zu frankiren brauchte: so sollten Sie mir wenigstens unfrankirt schreiben. So fällt ohne einigen Vortheil von Ihrer Seite der größte Vortheil Ihnen zu: ich kann nur bis an die Gränzen unsres kleinen Königreichs frankiren, Sie thun es bis nach Thüringen. Wüßten Sie mir nur erst einen andern Weg an Meyer oder mit ihm auszumachen; denn der Brief an den ehrwürdigen Reimarus, um dessen Besorgung ich Sie ebenfalls bitte, lege ich doch nur bey, weil ich einmal in die Unbescheidenheit gerathen bin und denke, es gehe in Einem hin.

Mit meiner Zeitschrift wird es nun endlich einmal Ernst werden, nachdem ich durch eine Menge Unfälle, die meine Ruhe störten, bis jetzt an den Anfang verhindert worden. Da ich wünsche 1 Ex˖[emplar] des ersten Heftes in Ihre Hände zu bringen, so haben Sie die Güte mir den Weg dazu anzugeben; Ihr Urtheil als eines nicht überhaupt nur sondern einer solchen Unternehmung insbesondre erfahrnen Freundes ist mir nichts weniger als gleichgültig. Sie werden mich hoch verbinden, wenn Sie mir alsdann auch noch weitere Mitarbeiter zuweisen wollen, von denen Sie nach Zweck und Geist der Zeitschrift paßliche Beyträge erwarben.

Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ansehnlichen Familie. Ich denke darüber wie Sie. Wenn ich erst Kinder haben sollte, lieber recht viele als wenige; leztere gedeihen selten so gut. Und dann nach einem alten Sprichwort: Je mehr Kinder, desto mehr Münder – nicht bloß zum Essen, sondern auch zum Beten.

Sey’n Sie also um unsrer Freundschaft willen nochmals mein Briefbesteller an Herrn Meyer; aber das letztemal; können Sie, so treiben auch Sie ihn an zu Vollführung seines Verspruchs; es wäre allgemein wünschenswerth, Lessing von seiner mystischen Seite kennen zu lernen, wovon er öffentlich nur einige Spuren zeigte. Am Ende ist wie ich vermuthet sein angeblicher Scepticismus nichts anderes als ein christlich-mystisches System, das Jacobi nicht übersah.

Leben Sie recht wohl und erhalten Sie Freundschaft und Wohlwollen Ihrem
ergebensten Freunde

Schelling.