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Seit ich hier bin, war es mein beständiger Gedanke, Ew. zu schreiben. Die Erinnerung an so viele angenehme Augenblicke, die ich in Ihrer Gesellschaft verlebte, hat mich nicht verlassen. Amtliche Geschäfte verhinderten mich an der Ausführung. Nun wurde mir geschrieben, welchen harten Verlust Sie erlitten haben: ich nahm gewiß den innigsten Antheil daran und bedauerte den einer so vortrefflichen Frau in doppelter Hinsicht, da ich durch eigne Erfahrung wohl fühlen konnte, was Sie dabey empfinden mußten. Hätte ich nicht erfahren, daß in den ersten Augenblicken eines solchen Schmerzes unser Gemüth höchstens für den Trost der nächsten Freunde empfänglich ist, daß wir ihn allein und nur hinblickend auf die höhere künftige Welt durchkampfen müßen: so würde ich Ihnen meine Theilnahme zu bezeugen gewiß nicht gesäumt haben. Jetzt, da eine Zeit vergangen ist, erlauben Sie mir, mich noch unter Ihre Freunde zu mischen und mit Ihnen zu trauern. Doch – nicht trauern sollen wir, wenigstens soll diese Trauer gemischt seyn mit einer himmlischen Göttlichen Freude.
Wenn wir die rechte Empfindung vom gegenwärtigen Leben erhalten haben, wenn wir fühlen, daß der Zustand desselben weit schrecklicher ist als wir gewöhnlich wissen, da eine göttliche Hand uns die eigentliche Beschaffenheit desselben verbirgt; so können wir die, welche davon befreyt sind, nicht anders als glücklich preißen. Diese haben im eigentlichen Verstande überwunden: wir stehen noch auf dem Kampfplatz und warten auf unsere Erlösung. Schon das gewöhnliche Wort: daß keiner vor seinem Ende selig sey, zeigt uns genug den Werth des jetzigen Lebens.
Und doch muß eben dieses Gefühl seiner Gefahren und seiner Härten uns ermuthigen, desto mannhafter es zu bestehn, und nicht bey den schmerzlichsten Proben, die es für uns enthalt, zuerst die Kraft sinken zu lassen: denn eben auf diese Proben ist in Ansehung unserer gerechnet, in ihnen erst soll sich bewähren, welche Festigkeit unsere Ueberzeugung, unser Glaube an eine höhere Ordnung der Dinge gehabt hat.
Könnte ich jetzt nur bisweilen ein Stündchen bey Ihnen seyn! Ich habe nicht gedacht, als ich bey unseren Unterredungen im , durch eigenes Gefühl getrieben, so gern verweilte bey dem Gedanken von der Geisterwelt und dem jenseitigen Zustande, daß auch für Sie diese Beschäftigung bald dasselbe persönliche Interesse erhalten würde. Jetzt könnten wir uns noch manches mittheilen, was damals unberührt blieb. Anhaltendes Nachdenken und Forschen hat jedoch bey mir nur dazu gedient, jene Ueberzeugungen zu bestätigen, daß der Tod, weit entfernt die Persönlichkeit zu schwächen, sie vielmehr erhöht, indem er sie von so manchem Zufälligen befreyt; daß Erinnerung ein viel zu schwacher Ausdruck ist für die Innigkeit des Bewußtseyns, welche den Abgeschiedenen vom vergangenen Leben und den zurückgelassenen bleibt; daß wir im Innersten unseres Wesens mit jenem vereinigt bleiben, da wir zu unserm besten Theile noch nichts anders sind, als was sie auch sind, – Geister; daß eine künftige Wiedervereinigung bey gleichgestimmten Seelen, die das Leben hindurch nur eine Liebe, einen Glauben und eine Hoffnung gehabt, zu den gewissesten Sachen gehört und namentlich von den Verheißungen des Christenthums auch nicht eine unerfüllt bleiben wird, so schwer begreiflich sie auch einem mit bloßen abgezogenen Begriffen umgehenden Verstande seyn mögen. – Täglich erkenne ich mehr, daß alles weit persönlicher und unendlich lebendiger zusammenhängt, als wir uns vorzustellen vermögen. Könnte, bey richtigem Fühlen und Denken zur Gewißheit jener Ueberzeugungen irgend etwas fehlen, so bedarf es nur des Todes einer innig geliebten mit uns verbunden gewesenen Person, um sie zur höchsten Lebendigkeit zu erhöhen. Bey dieser Beschaffenheit kann es Ihnen nicht an Trost fehlen und selbst nicht an Muth noch ferner zu leben. Eben wenn wir wissen, daß uns das Leben nicht mehr zur Lust gereicht, wenn die Welt uns verödet ist, dann fangen wir erst an, um Gotteswillen zu leben.