Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Monsieur, Monsieur Schelling

Président de l’academie royale des Sciences

à

Munic, en Bavière.

frey.

Ew. Hochwohlgebohren

haben mich mit so vieler Freundlichkeit in München aufgenommen, Sie haben mir so viel Interesse für die Fortsetzung meiner Studien bewiesen daß ich es für meine Pflicht halte Ihnen Einiges über die hiesigen Verhältnisse und über mich mitzutheilen. – Die Regierung thut außerordentlich viel für die orientalischen Studien, erst vor Kurzem ward ein neuer Lehrstuhl für das Hindostani, die lingua franca Mittelasiens, errichtet – und was geschieht, geschieht eben so gut für Fremde wie für Einheimische. Jeder hat freien, unentgeldlichen Zutritt und wird von den Professoren mit einer Humanität und Freundlichkeit behandelt, die man in andern Ländern nicht so leicht antreffen wird. Abel-Remüsat, bey dem ich das Chinesische begonnen habe, bat sich alsbald das Vergnügen aus mit mir das Versäumte nachholen zu dürfen! Wirklich habe ich es auch in dieser kurzen Zeit schon so weit gebracht daß ich den Tschung-Youay und den Weng-Theu übersetze. Bey der chinesischen Sprache ist Alles umgekehrt; anfänglich dünkt sie einem leicht, weil man außer den 214 Schlüsseln, die man füglich die Etymologie nennen könnte, gar keine Grammatik zu lernen hat; man fängt alsbald mit dem Lesen an, und freut sich schon etwas zu verstehen. Je mehr man aber liest, desto mehr sieht man ein, wie schwer es ist, wegen Mangel der grammatischen Formen, mit Bestimmtheit sagen zu können: dies heißt so und kann gar keinen andern Sinn haben, wie man das bey Sprachen, die sehr reich und bestimmt in grammatischen Formen sind, thun kann z. B. in der griechischen und arabischen. Die französische Sprache ist grade der Antipode der chinesischen, Uebersetzungen sind gar nicht möglich, sondern bloß Paraphrasen, – ich gedenke es mit der deutschen Sprache, die sich mit Leichtigkeit in alle Formen fügt, zu versuchen.

Sacy hat sich auch äußerst gefällig gezeigt; ich bin vor der Hand bloß Zuhörer in seinen Vorlesungen, nach der Vacanz werde ich zu explicirn beginnen. – Die armenischen Uebersetzungen des Aristoteles aus dem sechsten Jahrhundert habe ich schon durchgesehen; sie sind alle mit einem Commentar versehen und zur Kritik des aristotelischen Textes von unschätzbarem Werth. So habe ich z.B. gefunden daß in Categorien die Uebersetzung gewöhnlich den alten Handschriften folgt, die Simplicius anführt, im ersten und zweiten Capitel fehlt Τῆς οὐσίας u.s.w. Ich werde nächstens eine Abhandlung über diese armenischen Versionen im Journal asiatique – die Herrn hatten die Güte mich zum Mitglied der Societé asiatique aufzunehmen, einrücken lassen. – Es wird hier jetzt der Tabari persisch sammt französischer Uebersetzung gedruckt, und in London wollen sie gar das große Werk des Iben Khaldoun, die Geschichte der Berberen sammt den berühmten Prolegomenen, wovon das M[anuscri]pt 6 eng geschriebene Foliobände betragt, herausgeben. Diese zwey Werke werden Epoche machen in der Kenntniß der Geschichte Asiens. Remüsats zwey neue Bände der Melanges asiatiques enthalten vortreffliche Sachen über die chinesische Philosophie und Geschichte; Remüsat gehört zu den ausgezeichnetsten Männern, die mir in meinem vielbewegten Leben vorgekommen sind. Auch Saint-Martin ist ein ausgezeichneter Gelehrter, doch kommt er mir etwas zu Hypothesen reich vor und beschäftigt sich zu viel mit den dunkeln Zeiten, die, ich bin es fest überzeugt, ein für allemal dunkel bleiben werden.

Werde ich aber so glücklich seyn mich 1 1/2 Jahre sorgenlos hier den orientalischen Studien widmen zu können? Werde ich nicht einen großen Theil der lieben theuern Zeit Brodarbeiten, Journal-Correspondenzereien u.d.gl. widmen müssen? Εν θεων γουνασι κειται, was die Regierung über mein Gesuch beschließen wird und ich bitte Ew. Hochwohlgebohren ### meiner gütigst annehmen zu wollen, besonders daß die Regierung, da sie sicherlich in keinem Falle viel geben wird, bedenken möge, bis dat qui cito dat. Ich bin jetzt schon vier Wochen in Paris, meine orientalischen Bücher, die ich nothwendig haben muß, kosten 5–600 Franken und ich muß mich darnach einrichten. Ich war so frey einen Brief an Schenk und Armannsperg beyzuschließen; ich bitte Ew. Hochwohlgebohren sie diesen Herrn gefälligst übersenden zu wollen. Dürfte ich Sie nicht auch bitten den Herrn Präsidenten Roth, Thiersch und Niethammer von mir zu grüßen? Sollten Sie oder sonst Jemand Ihrer Freunde etwas in Paris zu besorgen haben, so bitte ich sich gefälligst an mich wenden zu wollen.

Ich habe die Ehre zu unterzeichnen
Ew. Hochwohlgebohren
Gehorsamster

Neumann, Rue de Verneuil N° 20.