Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Verehrtester Freund!

Zu meiner größten Freude habe ich durch die Frau von Köhler erfahren, daß Ihre Gemahlin von einem Mädchen entbunden worden sey; ich nehme an diesem Zuwachs Ihres Familienglücks den herzlichsten Antheil, und bringe Ihnen meinen aufrichtig gemeinten Glückwunsch zu diesem Segen des Himmels dar. Nach aller Wahrscheinlichkeit wird die Tochter nicht weniger Freuden gewähren, als die beyden hoffnungsvollen Söhne; möge Gott nur ihr und Ihnen beyden Gesundheit und langes Leben vergönnen, damit Sie ### Freuden recht lange genießen können. Nicht weniger erfreut bin ich über das Wohlbefinden der Wöchnerinn und über Ihre andaurende Gesundheit und heitere Grundbestimmung, wie die Frau von Köhler mich beydes versichert. Sie werden späterhin wahrscheinlich wieder auf einige Zeit in das Gebürg und an die Seen mit Ihrer Familie gehen, um die angenehme dort zuzubringen, und Ihre Gesundheit noch mehr zu befestigen; ich wünsche Ihnen dazu gute Witterung und Freyheit von allen Störungen.

Der verfloßene hat bey der schlechtesten Witterung sich sehr fruchtbar an politischen Neuigkeiten für uns gezeigt, von denen die meisten unerwartet gewesen und deßwegen auch sehr verschieden aufgenommen worden sind; oft habe ich mir gewünscht, nur einen Tag bey Ihnen seyn zu können, um Ihre Ansichten davon zu vernehmen, weil ich Ihrem Scharfsinn und Ihrer genauen Kenntniß der Lage der Dinge sehr vertraue. Daß man in Franken darüber keine besondere Freude äußert, ist begreiflich, weil man dahier noch keine besondere wohlthätige Früchte davon verspürt; es besteht noch die Mauth zwischen Franken und Bayern, und die Abgaben sind in mancher Beziehung auch drückender als in Bayern; nebstdem werden mehrere Familien durch die neue Organisation aus ihren zeitherigen Verhältnissen gerissen, andere in ihren Erwartungen geteuscht, u.s.w. Es wird nun darauf ankommen, ob man eine landständische Verfassung einführen werde oder nicht; das wird viel entscheiden für oder gegen die Zufriedenheit des Ganzen; denn darauf scheint man allgemein gespannt zu seyn. Nach allem, was zeither geschehen, muß man freilich glauben, es solle bey dem Landrathe sein Verbleiben haben; der aber sicherlich keine Parthey zufrieden stellen wird.

Durch die neue Ordnung der Dinge ist auch Riel wieder hieher als Schulrath versetzt worden, was auch keinen Menschen dahier gefreut hat; er rühmt sehr das Vertrauen der Bayern zu ihm, und die Liebe, die er sich dort erworben; auch sein Schwager St. soll beym Grafen Th˖[ürheim] sowie beym Könige in großem Ansehen stehen, und viel vermögen. Da Graf von Th˖[ürheim] ihn früherhin sehr viel gebraucht hat, und sehr genau kennt, so ist wohl auch nicht zu zweifeln, daß er ihn auch jetzt gern an seiner Seite sehe.

Der Herr von Asbek ist erster Curator der hiesigen Universität geworden, und der zeitherige Curator von Stauffenberg ist ihm als zweyter beygegeben. Was dadurch gewonnen worden ist, muß die Zukunft zeigen; solange die Finanzen der Univers[ität] in dem zeitherigen schlechten Zustand bleiben, wird kein Curator viel Gutes stiften können; doch ließe sich vielleicht manches Gute rüksichtlich der Belebung eines besseren Geistes und Strebens unter den Lehrern thun, worüber von den einsichtsvollen Lehrern allerley Klagen geführt werden. – Die Versetzung des Prof. Schmidtlein nach München hat die juristische Fakultät in eine große Verlegenheit versetzt; sie weiß nicht, wie seine Stelle schicklich ersetzt werden könne, da er die wichtigsten Gegenstände zu versehen hatte. Diese Fakultät ist wohl am schwächsten besetzt, und bedarf sehr eines frischen und kräftigen Nachwuchses. – Bey dem jetzt herrschenden Geiste oder vielmehr Ungeiste der Studierenden über den von allen Lehrern geklagt wird, können sich auch die Lehrer der Philosophie nicht viel versprechen; die Jungen Leute eilen über Hals und Kopf die Zeugnisse über die sogenannten Zwangs-Kollegien zusammen zu bringen, und nehmen von andern Vorlesungen wenig oder gar keine Notiz, auch wenn sie öffentlich gelesen werden; die vorgeschriebenen Kollegien sind zahlreich, das Leben theuer und die Eltern meistens in unzulänglichen Umständen, weßwegen sie den Sohn treiben, in kürzester Frist die Universität zu verlassen. – Was ich für ein Glück als Professor der Philosophie machen werde, stehet zu erwarten, und wird sich im nächsten zum Theil zeigen; ich werde es von meiner Seite nicht fehlen lassen, und dann den Erfolg Gott überlassen. Metz greift zu den niedrigsten Kunstgriffen, um Zuhörer zu werben, und dabey ist er mir unerträglich höflich und gemein schmeichelnd. – – Wagner benimmt sich gegen mich anständig, und ich erwiedere sein Benehmen, und lasse ihn übrigens ungestört seinen Weg wandeln. Nach der Versicherung seiner Freunde setzt er seine Herztkraft in seine mathematische Philosophie und allgemeine Weltgeschichte, das Übrige kümmert ihn wenig, aber mit der mathematischen Philosophie hofft er noch eine gänzliche Revolution in den philos[ophischen] Wissenschaften hervorzubringen; er soll daran arbeiten, alle Theile der Philosophie nach seiner Grundlegung zu bearbeiten. Noch ist mir von seinen wenigen Anhängern keiner vorgekommen welcher ein vernünftiges Wort darüber sprechen könnte. Ich lege Ihnen, wehrtester Freund, hier ein Probestück von den übertriebenen Lobpreisungen seiner Anhänger bey, das noch dadurch merkwürdig ist, daß der Verfasser seit einem Jahre der ärgste Feind Wagners ist, welcher wegen seiner Schmähungen auf Wagner gar nicht anzuhören ist, und der alle Welt überzeugen möchte, daß W˖[agner] ein Charlatan sey, und dessen vorgebliches Wissen eitles Blendwerk sey.

Ob ich gleich durch meine Versetzung nach Würzburg in finanzieller Rüksicht eher verloren als gewonnen habe, indem ich wenigstens eine freye Wohnung oder deren Vergütigung verlohren habe, so bin ich doch damit nicht unzufrieden, und hoffe, künftig immer zufriedener damit zu werden. Wenn einmal die Gymnasialgeschäfte in Ordnung sind, so kann ich doch mehr Zeit meinen Studien widmen, als dieses zu Regensb[urg] oder an einem jeden andern Gymnas[ium] möglich gewesen wäre. Ich habe hier auch mehr Aufmunterungen und Antriebe zum Studieren, als anderswo; meine Rektoratsgeschäfte sind auch nicht zu beschwerlich, weil man mir viel Vertrauen schenkt, und meinen Anordnungen nicht entgegenarbeitet; doch wünschte ich sehr, sie möchten mir abgenommen werden. – –.

Welches Unglück ich bey einer Landparthie beynahe gehabt hätte, und das die Frau Ministerinn von Lerchenfeld wirklich dabey gehabt hat, wird Ihnen die Frau von Köhler mittheilen; so eben höre ich, daß der Beinbruch äußerst gefährlich sey, und eine Lähmung am Fuße das Geringste sey, was man befürchten müße; wenn nur keine Ammputation nothwendig wird! sie ist Mutter von 6 Kindern, und eine junge Frau. –

Grüßen Sie, bester Freund, Ihre liebens- und verehrungs-würdige Gemahlin freundschaftlichst von mir, und übernehmen Sie es gefälligst, ihr meine herzlichen Glückwünsche zu Ihrer Entbindung darzubringen. Bleiben Sie gesund, und freundschaftlich gewogen Ihrem mit ganzer Seele Ihnen
ergebenen Freunde

Klein