Liebster Bruder!
Es thut mir leid, daß ich auf Deinen lezten Brief erst so spät antworten kann, zum Theil ist aber daran der Umstand, daß erst vor wenigen Tagen das Dokument, aus welchem ersichtlich ist, daß Du Dir den regressum in patriam vorbehalten hast, in der Registratur des Konsistoriums vorgefunden worden ist, zum Theil der, daß ich in der leztverfl˖[ossenen] Woche fast Tag für Tag examinibus beyzuwohnen hatte, und bei der gegenwärtigen großen Zahl von Krancken fast keine Minute gewinnen konnte, um Dir wenigstens vorläufig zu schreiben, daran Schuld. Ich sprach, nachdem ich Deinen lezten Brief erhalten hatte, mit meinem Schwager Wächter, welcher in solchen Angelegenheiten unser Verständiger und treuer Familien Rathgeber ist, über die Sache. Dieser meinte nun, es sollte vor Allem in der Konsistorial Registratur nachgesucht werden, ob das Dokument, wodurch Dir der regressus in patriam erlaßen ist, noch vorhanden seye, oder nicht. Dieses hat sich nun durch Nachsuchen unsres Vetters des Assessor Gaupp vorgefunden, und es ist nach demselben Dir im Jahr in Folge einer Resolution des damaligen Herzogs der Regress ins Vaterland mit der Erlaubniß die Stelle in Jena annehmen zu dürfen, zugestanden worden. Wächter sagt nun, Du hättest eigentlich auch, als Du in baierische Dienste übergetreten seyest, auch eine Anzeige davon machen sollen, auch mache man einen Unterschied, ob der regressus in patriam cum oder sine effectu nachgesucht und gewährt worden seye, worüber weder Dein damaliges Gesuch noch die darauf ertheilte Resolution eine Bestimmung enthalte, er meint aber, daß man hierauf schwerlich ein bedeutendes Gewicht legen werde, da vorauszusetzen seye, daß Dir der genannte Unterschied damals nicht bekannt gewesen seye. Seiner Meinung nach sollst Du nun sogleich ein Exhibutum an den StudienRath eingeben, und unter Beziehung auf den Dir im Jahr 1798 zugestandenen Regress ins Vaterland das Gesuch und Zulaßung des Fritz zum LandExamen und künftiger Aufnahme in ein Seminarium eingeben. Eben dieses hat mir Direktor Süskind, den ich zweimal besuchen wollte, aber nie zu Hause antraf, durch Assessor Gaupp sagen laßen. Ich glaubte nämlich, daß es doch gut seyn würde, dem Direktor Süskind, welcher beim StudienRath das factotum ist, von der Sache vorläufig in Kenntniß zu setzen, und denselben dafür zu gewinnen zu suchen. Süskind sagte dem Gaupp, daß die Sache dem Minister˖[ium] vorgelegt werden müße, und daß es wünschenswerth wäre, wenn Deine Bittschrift bald eingienge, es wird daher gut seyn, wenn Du nicht zögerst, und sie mir schickst, worauf ich
Die Hoffnung, welche Du uns gemacht hast, vielleicht selbst zur Konfirmation des Pauls nach Nürtingen zu kommen, hat uns sehr erfreut, doch hoffen wir, daß Du in diesem Falle Stuttgart nicht übergehen, und auch uns mit einem etwas längeren Besuche erfreuen würdest. Wenn Du einmal die weite Reise machst, so wird es doch gewiß nicht auf acht bis zehn Tage ankommen. Es vergeht fast keine Woche, daß nicht hier RetourGefärthe nach München sich ankündigen, vielleicht könntest Du zur Rückreise alsdann ein solches benützen, od˖[er] würde es sich schon auf andere Weise machen laßen. Die Freude, Dich und D˖[eine] liebe Frau wieder zu sehen, würde uns freilich getrübt werden, wenn Klärchen uns bei dieser Gelegenheit verlaßen sollte, doch könnte vielleicht bei mündlicher Besprechung darüber einiger Aufschub gewonnen werden. Klärchen ist übrigens gegenwärtig gantz wohl und macht im Lernen recht gute Fortschritte. Meine Frau ist ebenfalls wohl, und ebenso auch unsere kleine, welche nun vier Wochen älter ist, als unser Karl zur Zeit seines Todes war. August ist seit mehreren Wochen auch unpäßlich. Er leidet an einer Hämorrhoidalfistel, welche operirt werden solle, und die er wahrscheinlich durch Mangel an Bewegung bei seinem guten Appetit, durch Genuß von neuem Wein pp sich zugezogen hat. Er gieng starck mit dem Gedancken um, sich um die kürzlich erledigt gewesene unterste Präceptorsstelle am mittleren Gymnasium hier zu melden, und hat die Bittschrift nur auf starckes Zureden von verschiedenen Seiten wieder zurückgenommen.
Leb recht wohl und gesund und empfehl uns D˖[einer] lieben Frau bestens.
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]
K.
Stuttg˖[art] den
Wächters und unsere übrige Anverwandte laßen Dir für Dein freundliches Andencken herzlich dancken. Beate grüßt Euch ebenfalls, und ist wohl.