Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Schon an meinem , du innig Lieber und Theurer, wollte ich einige Zeilen an dich schreiben, aber gerade jener Tag war ein so unruhiger und zerrissener für mich, daß ich nicht zum Schreiben kam.

Ich habe auf dieser Reise recht, recht oft mit herzlicher Liebe an dich, an deine liebe Frau und die lieben Kinder gedacht und so oft mir etwas ganz besonders wohl gefiel, recht großartig und gewaltig schien, wünschte ich dich von ganzer Seele zu mir her und hätte es lieber nicht sehen mögen, wenn du es nur hättest sehen können. Unter anderm weiß ich wohl nicht ob ich auf dieser ganzen Reise etwas sehen werde, was mir könnte im Vergleich mit einigen wahrhaft paradiesischen Gegenden der Provence kommen, besonders mit der zwischen Toulon und Frejus. – Schon in Besanςon holten wir den Früling ein und standen dort (am ) die Bäume im Blühen. In Avignon waren die Gärten voll blühender Rosen, im gewaltig schönen Thal von Vaucluse blühten Pflanzen, die man bei uns im Juny in Gärten blühen sieht, um Hieres waren alle Heiden (statt des Heidekrautes) mit rosenrothen und gelben Hibiscus bedeckt und dazwischen duftete Jasmin. Als ich aber mit meiner lieben Frau ganz allein und zu Fuß die Gegend zwischen ### und Vidauban durchstreifte, da gieng mir das Herz auf wie noch niemals bei dem Anblick einer Gegend, ich war wie berauscht vor Freude und wenn ich irgendwo zu einem Lande hätte sagen mögen laß mich bei Dir Hütten bauen, so wars da. Rechts und links hat man da die hohen Gebirge, an den oberen Wänden mit immer grünen Eichen, unten mit Cypressen bedeckt und mit ganzen Wäldern von Oelbäumen, Feigen und Obstbäumen, fast jede tausend Schritte kommt ein Quell oder Bächlein voll frischen Wassers (wie in manchen Thälern bei Jena, nur viel stärker) vom Gebirge herunter und tränkt den ewig grünen Garten Gottes der rechts neben uns im ganzen Thal hin lag, aus den Oelgärten ertönten provenςalische Lieder. Denn in diesem schönen Lande singt Alles, in den Wirthshäusern findet man dicke, zusammengeschriebene Liederbücher, wovon ich einmal (in Vidauban) fast in Versuchung kam eines, das keinen Herrn zu haben schien, für den Grafen Platen zu entwenden, die Jünglinge und Jungfrauen sehen viel blühender und unschuldiger aus, alle Leute sind viel treuherziger als im übrigen Frankreich und selbst das gemeinste Landmädchen hat in ihrem Thun und Wesen eine Grazie daß ich mich oft mit meiner Frau darüber verwunderte.

Hier in Nizza ist es freilich auch schön. Das Meer haben wir so nahe an unserem Fenster daß man sich Anfangs ordentlich an sein gar zu lautes Brausen gewöhnen mußte und in die herrliche, weite Bucht in der Nizza mit seinen Orangengärten liegt, sehen von Norden her die Schneeberge des Col de Tende herein und wenn man einen Berg besteigt, kann man hinter dieser ersten Gebirgskette die ganze Riesenmauer der Savoyen Alpen sehen. Auch ist viel für meine Wissenschaft hier zu thun und zu lernen.

Doch über dies und Alles gebe ich dir ja wills Gott bald, bei unserm frölichen Wiedersehen ausführlichen Bericht. Ich denke diese Reise soll mir mit Gottes Hülfe viel nutzen.

Nun Gott behüte dich du Theurer und deine innig liebe, verehrte Frau Gemahlin und die Kindchen und segne auch Alle. Mein ganzes Herz grüßt das liebe Schellingsche Haus. Bald so Gott will mündlich mehr.
Denkt auch mit Liebe an die ausgewanderten Gevattersleute

Schuberts.

An mein liebes Pathchen Julchen schreibe ich auf dieser Reise noch besonders.
Laß Dir doch von Ranke ein Exemplar von meinem dicken Buche geben, das übrigens mehr Glück (das heißt Dicke) als Verstand hat.