Schelling

Schelling Nachlass-Edition


P˖[raemissis] P˖[raemittendis]

Da ich noch hier geblieben, so habe ich diesen arbeitsfreyen Tag benutzt, mich mit der Köhler’schen Schrift noch bekannt zu machen. Ich gestehe Ihnen aber aufrichtig: sie ist mir zu weitläuftig, und in ihren einzelnen Äußerungen zu unbestimmt, als daß ich mich an ihr sonderlich hätte erbauen können, und da die versuchte Vereinigung von Supernaturalismus und Realismus, soweit ich sie habe verstehen können, am Ende doch wieder auf etwas Einseitiges – im Grunde mlich auf Naturalismus im theologischen Sinne – hinausläuft, so kann ich auch weder finden, daß ihm seine Absicht gelungen, noch hoffen, daß er eine wahre Versöhnung stiften werde. In seinen geschichtlichen Voraussetzungen sieht man überdieß den Mann, dem es an den Hilfsmitteln zu gründlicher Forschung gefehlt hat. Daß übrigens viel Wahres, Schönes und Gutes in dem Buche steht läugne ich nicht; mein Urtheil bezieht sich nur auf das Ganze und auf den Grundgedanken, der mir unklar, ungenügend, und kein gründliches Heilmittel der Seichtigkeit des bisherigen Rationalismus scheint.

Mit dem herzlichsten Danke für die Mittheilung dieses Buchs verbinde ich den Wunsch, daß Sie wohl leben und meiner in Freundschaft gedenken mögen

Schelling.