Sr Hochwohlgebohren
Dem Herrn Geh˖[eim]Rath von Schelling
nach
frey
Es freuet mich von ganzem Herzen daß mir die Gelegenheit geboten wird mich Ihnen – mein hochverehrter Herr und Freund in wohlwollende Erinnerung zurückzurufen und Sie meiner fortdauernden treuen Ergebenheit zu versichern
Die Veranlaßung aber zu den gegenwärtigen Zeilen ist folgende.
Ihre Kaiserliche Hoheit die Frau Großherzogin – welcher sie und schon zu Carlsbad begegneten, erhielt damals von Ihnen im Gespräch mehrere intereßante Nachrichten über eine, ich glaube in München befindliche Industrie-Schule und weil Hochdieselbe dergleichen Anstalten als äußerst Nützliche betrachten vielleicht auch unsere Gegend für ein solches Institut geeignet halten, so war Ihr das von ihnen erhaltene Versprechen: die Statuten der besagten Schule anher einzusenden, sehr angenehm und ich habe den Auftrag erhalten theils freundliche Grüße im Namen Ihrer Kaiserlichen Hoheit zu sagen, theils angelegenlich um baldige Mittheilung jener Statuten und was etwa sonst noch in Bezug auf das Gedeyhen der Anstalt von Erheblichkeit seyn möchte zu bitten.
Da ich ein einsames zurückgezogenes Leben führe so kann ich über hiesige Zustände und Ereigniße welche Ihnen Verehrtester aus alten Erinnerungen noch einiges Gelten mochten nicht eben viel berichten. Vom Schillerischen Hause befindet sich niemand mehr in der Nähe als Frau von Wolzogen, (Schillers Schwägerin) welche zuweilen von Jena wo sie sich seit ein Paar Jahren aufhält für einige Tage nach Weimar kömmt. Goethe befindet sich munter, ist thätig und scheint den Beschwerden des Alters unzugänglich. Darf ich endlich von mir selbst noch ein Wort sagen so habe ich in den letzten fünf bis sechs Jahren manches Widerwärtige erfahren wovon eben ein längeres Leben selten frey zu seyn pflegt und worein man sich willig oder unwillig fügen muß, indeßen halte ich mich doch so
Möge ein gütiges Geschick über Sie und die Ihrigen walten und mögen Sie mir ihr freündschaftliches Wohlwollen forthin schenken.
Ganz ergeben verharre
Heinrich Meyer
Hofr[a]th
Weimar den .