Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Liebster Bruder!

Wieder einmal muß ich mich selbst anklagen wegen meines langen Stillschweigens. Du weißt, womit ich dasselbe entschuldigen könnte, doch Deine Liebe und bekannte Nachsicht gegen mich ist die beste Entschuldigung, die mir zu Theil werden kann. Seit der Rückkehr von Carlsbad und besonders seit bin ich wieder in voller Arbeit; meine Gesundheit ist nicht ganz so gut, wie im , doch habe ich Ursache damit zufrieden zu seyn. Clärchen, die sehr vergnügt war in Carlsbad, hat sogleich nach der Rückkehr geschrieben, da aber an dem Brief wenig verloren war, so ist er bis heute liegen geblieben, und nun kommen 2 auf einmal, beyde sehr inhaltsleer. Das gute Kind ist sehr lieb und liebenswürdig, aber ihr Geist scheint sich nur langsam zu entwickeln. Seitdem sind auch die Duttenhofers hier angekommen; die Frau scheint ganz seelig zu seyn, ob es ihr in die Länge ebenso gefallen wird, steht dahin. Du hast Friz für die letzten Tage der vacanz noch so freundlich aufgenommen. Dieß war auch ein Grund, mit dem ich mich tröstete, Dir nicht mehr schreiben zu können. Er wird Dir wohl so ziemlich alles erzählt haben, was Dich von uns interessiren konnte. Unter andern wohl auch, daß wir beyde mit Paul sehr wenig zufrieden waren. Dieser Mensch läßt uns wieder seit mehreren Wochen und auf mehrere eindringliche Briefe seiner Mutter Antwort erwarten. Erlaubt es die Zeit, so lege ich noch einige Zeilen bey, und bitte Dich, sie ihm zu schicken. Es scheint nämlich, daß auch das Postamt entweder in Ulm oder in Urach sehr nachläßig ist. Auch wir zählen die Tage des Wiedersehens. Nur schmeicheln wir uns dießmal mit der Hoffnung, daß Du uns einmal auch, und zwar dieß mal etwas weiter entgegen kommest, als das letzte mal, nämlich - bis nach München. Es schien Dir das erste mal nicht zu mißfallen, ich glaube aber daß es Dir jetzt um vieles besser gefallen würde. Du wirst Dich schon so einrichten können, daß Du auch einmal auf 14 Tage Dich entfernen kannst. Vetter Cleß hat mir alles in dieser Hinsicht versprochen.

Lebe recht wohl, empfiel uns Deiner lieben Frau auf’s zärtlichste; Gott erhalte und segne Deine lieben Kinder! – Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]

Fr.