Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Noch habe ich Ihnen, hochverehrter Herr und Freund, für das köstliche Geschenk des 2. Theils der neuen Ausgabe Ihrer Symbolik nicht gedankt; bis abwesend erhielt ich dasselbe erst spät, kaum war ich bis jetzt im Stande, einen Blick in diesen Theil zu werfen, und muß mir den Genuß des Studiums desselben nun noch länger versagen. Vielleicht hat Ihnen Fama schon zugetragen, daß ich noch diesen Monat München – auf unbestimmte Zeit wenigstens verlassen werde. Seit einer Reihe von Jahren fühlte ich die nachtheiligen Einwirkungen des hiesigen Climas, dessen Eigenthümlichkeit durch die hohe Lage von München (1600' über dem Meere) bestimmt ist, auf meine Gesundheit, ohne daß ich mich doch entschließen konnte, Baiern oder überhaupt das südliche Deutschland zu verlassen. Dringender noch wurde die Auffoderung zur Verändrung durch die gefährliche Krankheit, die im mir eine neue Entwicklung des Übels ankündigte. Unter diesen Umständen hat mir die Gnade des Königs den erwünschtesten Ausweg eröffnet, indem ich München verlassen werde ohne mich von diesem Lande, noch selbst vor der Hand gänzlich von meinen hiesigen Verhältnissen zu trennen. In dem verhältnißmäßig weit milderen Clima von Franken hoffe ich meine schon sehr gebesserte Gesundheit völlig herzustellen; dem rein literarischen Leben zurückgegeben werde ich mit den unschätzbaren Vortheilen eines durchaus freywilligen Lehramtes jene ungestörte Muße genießen, die ich unter den – nicht bedeutenden aber doch zeitraubenden – Geschäften meiner hiesigen Ämter, den unvermeidlichen Zerstreuungen einer geräuschvollen Hauptstadt und dem Zeitverlust, den das Herbeyströmen von Fremden verursacht, oft schmerzlich vermißte - durch dieß alles glaube ich mich auch Ihnen wieder näher gerückt, da ich der zuversichtlichen Hoffnung bin, es soll mit dieser Veränderung auch eine neue Periode meiner wissenschaftlichen und litterarischen Wirkung anheben, der ich leider durch die bisherigen Verhältnisse nur zu sehr entzogen wurde. Möge denn unsere Verbindung immer inniger und für das Gemeinsame wirksamer werden!

Um diesen Brief doch nicht mit bloß Persönlichem anzufüllen, will ich in Bezug darauf, daß Sie, wie ich gesehen, meiner Etymologie des Kabiren-Namens die Ehre der Erwähnung gegönnt haben, anführen, was ich vor längerer Zeit gefunden, daß eben dieser Name in dem – meiner festen Überzeugung nach uralten und vormosaischen – Buche Hiob wirklich, und zwar an einer Stelle vorkommt, wo der in hebräischer Poesie so entscheidende Parallelismus mit Söhnen Canaans (Phöniciern) nicht zweifeln läßt, daß unter den חַבִּירִים wirklich Kabiren (als Volksname nach Suidas) verstanden werden. Doch dieses einstweilen bloß für Sie! –

Mögen Sie einen glücklichen und allen Ihren Arbeiten gedeihlichen Winter verleben, und zuweilen auch freundlich meiner gedenken,
Ihres
aufrichtigen Verehrers und Freundes

Schelling.