Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Hochwohlgeborner Herr Präsident!
Hochverehrtester Herr Geheimer Hofrath!

Genehmigen Eure Hochwohlgeboren meinen herzlichsten und verbindlichsten Dank für die gütige Verwendung die Hochdieselben bei Seiner Majestät mir angedeihen laßen zu wollen die Gewogenheit haben. Die Suplike ist an den Herrn von Oberkamp der sich gegenwärtig in Hessen Cassel befindet abgegangen. ich hätte dieselbe früher abgesendet, allein ich wurde durch einen Freund der mir das Ganze abfaßte so lange aufgehalten. In der Suplike habe ich auch mich auf Herrn Alioli berufen.

Drei Abschnitte sind nun an dem zweiten Theile vollendet. Der vierte wird nun auch bald fertig seyn, dann habe ich noch einen Abschnitt zu machen und hierauf wird nun die Darstellung der Kabbalah folgen. Diese vorbereitende Abschnitte sind deshalb nöthig um dem Ganzen einen Weeg in die Philosophie und Theologie bahnen, und alles historisch und kritisch zu begründen. Es wird noch viele Mühe und Arbeit kosten bis der Geist der ächten Wissenschaft der von Ihnen mein hochverehrter Lehrer ausgegangen ist in der Theologie lebendig werden wird. – Dahin zu wirken ist das eigentliche Ziel meines ganzen Strebens. Durch Ihre Schriften und durch die Kabbalah ist mir das Christenthum und die ganze religiose Erziehung des Menschengeschlechts klar geworden. Die Kabbalah selbst wird aber nur durch den Geist Ihrer Philosophie verständlich, daher vor jener Großen Reformation in der Wissenschaft die kabbalistische Weisheit (so viel auch darüber geschrieben worden,) in ihrer wahren Tiefe unverstanden blieb. Das Christenthum kann mann nicht ohne das Judenthum begreifen, beides aber bleibt unverständlich ohne das Heidenthum, oder die Natur. Da mann nun früher gar keine Begrife von der Naturansicht gehabt, und dieße ganze Seite von der Theologie ausgeschlossen war, so konnte dießelbe zur wahren Religionswissenschaft sich nicht erheben. Der ganze Zwek meiner kabbalistischen Studien gehet daher dahin eine organische Wissenschaft für die Theologie zu begründen. – Bei den neologischen Juden hat meine Arbeit einen sehr üblen Eindruk gemacht, sie werfen mir vor durch die Lobpreisung und Wiederaufsuchung des Alten Obscurantismus der modernen Civilisation des Judenthums zu schaden. ich war als Lehrer der Phisik an der hiesigen jüdischen Realschule angestellt. Da nun die Lehrer und Vorsteher derselben aus Neologen bestehen, so will mann mich von der Schule entfernen unter dem Vorwande meiner Kränklichkeit. (obwohl ich die drei Stunden Unterricht in der Woche immer richtig gab.) ich verliere dadurch jährlich 200 fl. was für mich wie Sie sich denken können, da ich Ihnen meine Lage geschildert habe höchst drükend ist. Mann wird sich zwar für mich verwenden um wenigstens einige Entschädigung zu erhalten. Allein ich zweifle sehr daran ob es ohne Folgen seyn wird, weil meine Anstellung nur eine privat Anstellung war. Diese Na[c]hricht erfuhr ich nachdem die Suplike an den König schon fertig war und abgeschikt ward. Eure Hochwohlgeboren sehen allso aus allem dießem, wie nöthig mir eine Unterstützung thut wenn das Werk von mir soll fortgesezt werden. Es ist Ihr eignes Werk was Sie hier pflegen. Denn alles was ich hier ausführe, haben Sie in mir erregt, es ist Ihr Geist der hier fortwirkt. In welche Hände könnte ich daher mit größerm Vertrauen meine Angelegenheit legen als in die meines verehrten Lehrers.

Eurer Hochwohlgeboren
gehorsamster

Molitor