Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Hochwohlgeborner Herr!
Hochzuverehrender Herr Hofrath!

Euer Hochwohlgeboren nehme ich mir die Freiheit meine Inauguraldißertation zum Zeichen meiner ungeheuchelten Hochachtung und Verehrung zu übersenden. Glücklich würde ich mich schätzen, wenn diese erste Probe meines philosophischen Studiums sich Ihres Beifalls einigermaßen erfreuen und Ihres Wohlwollens mich würdig machen sollte. Wenn ich gleich keineswegs so verblendet bin, daß ich mir einbilde, die Frage, um welches es sich eigentlich in meiner Dißertation handelt, vollständig und so, wie es die Sache erfordert, gelöst zu haben; so scheint mir doch die Frage selbst, wie nämlich das Denken möglich sei, wie sich das Denkende als als Denkendes verhalte, der Mensch als Denkender zu andern Menschen, von Wichtigkeit zu sein. Denn meines Wißens wurde bisher gewöhnlich das Denken nur in Beziehung auf die zu denkenden und zu erkennenden Dinge und Gegenstände, aber nicht in Beziehung auf sich selbst als bloße Thätigkeit, abgesehen von dem Inhalt und den Gegenständen des Denkens, betrachtet. Und ich schmeichle mir daher mit der Hoffnung, daß Euer Hochwohlgeboren meiner Arbeit im Ganzen wenigstens eine günstige Aufnahme nicht versagen, und das Mangelhafte, Dürftige, Ungenügende im Besondern mit Nachsicht beurtheilen werden.

In der Versicherung der tiefsten Hochachtung verharre ich als
Euer Hochwohlgeboren
ganz gehorsamster

Dr. Ludwig Andreas Feuerbach