Schelling

Schelling Nachlass-Edition


An

Herrn Director von Schelling

in

Erlangen.

fr˖[ey] Gr˖[enze]

No. 27

No. 49.

Mein geliebter theurer Freund!

Nicht ohne innige Wehmuth ist der heutige Tag von mir begrüßt worden, der mich nun schon so lange als das endliche Ziel meiner Erlösung von hier, mit ganz besonderer Freude entgegenblickte. Es war mir schon ganz tröstlich als der Himmel sich zum Regen umzog und ich will es mir gern gefallen lassen wenn sich mehrere Tage die liebe Sonne verschleyert. Besonders wünsche ich nur nächsten möge das Wetter nicht heiter seyn sonst werden meine arme Buben sich gar nicht über die fehlgeschlagenen Hofnungen zu frieden geben. Ach mir thut gewiß das Herz eben so weh wie ihnen, es ist das schwerste Opfer was ich je meiner Gesundheit gebracht habe; aber es wäre zu thörigt gewesen in dem Augenblick wo das hartnäkige Übel endlich wirklich in der Wurzel zu wanken scheint den augenblicklichen Gefühlen nach zu geben, nach dem man so viel Zeit und Geld drauf verwandt, sich so harten Entbehrungen deshalb auferlegt hat. Es ist auffallend wie viel leichter ich seit 14 Tagen geworden bin, ich schrieb Dir schon, daß ich ohne große Mühe, den 3 Kreutz berg bestiegen war, in derselben Woche wiederhohlte ich den Spaziergang und es ist seit dem kein Tag verstrichen, wo ich nicht ähnliche Spaziergänge unternehme, früher war mir der chebekische Weg schon zu anstrengend. Seit jener Zeit, zeigt sich im Urin eine starke Absonderung, ein fingerhoher Schleim fällt gleich im Glaße nieder, schon nach den ersten Wochen zeigten sich Absonderungen wie ich Dir damals schrieb, sie waren aber mit diesen gar nicht zu vergleichen, auch hielten sie nicht lange an und verschwanden dann 4–5 Wochen ganz. Mitterbach hat vom Anfang erklärt daß nur durch dieses Mittel Geneßung zu hoffen sey und durchaus auf keinen andern Wege, seine Ansicht wird durch die große Leichtigkeit, die ich seit dem empfinde, sehr gerechtfertig, auch ist der Leib merklich weicher und kleiner geworden, früher war er so dicht an die Rippen hinauf gedrängt, daß es nicht möglich war dazwischen zu kommen, wo ich jetzt bequem 3 Finger dazwischen lege. Auf M˖[itterbachers] Rath ruhe ich nun 6 Tage und habe damit angefangen, das Baden ist mir aber fortzusetzen erlaubt. Die Woche wird mir diesmal doppelt lang dünken da sie mir ohne die Erquikung Deiner lieben Zeilen verstreichen muß, die Posttage wo ich mir Briefe versprechen durfte, waren die Lichtpunkte meines hiesigen Aufenthaltes. Möchtest du geliebtes Leben und die theuren Kinder nur immer wohl und vergnügt bleiben. Die Anstrengung des Collegiums, (ich meyne nicht geistige aber wohl körperliche) hat Dir doch nichts geschadet? Und Du hast Dir doch nicht eine Erkältung zu gezogen, ich bin bange für Dich gewesen, ruhe nun recht aus und lasse dir wohl seyn und denke darauf wie es möglich ist uns bald wieder zu vereinigen! Ist es Dir nicht möglich hierher zu kommen oder hast Du andere Projekte Dir eine kleine Veränderung zu machen, so beschränke ich mich noch 14 Tage von heute an hier zu bleiben, das ist aber auch der äußerste Termin wo ich eine längere Trennung ertragen kann. Die Kinderchen sind immer wohl und vergnügt, ich kann Gott nicht genug danken, der sie von jeden Übel bewahrt hat. Das kleine Engelchen wächst stündlich an Geist und Liebenwürdigkeit, sie ist jetzt ganz das liebliche Bild ihres Bruders Paul wie er uns bey dem ersten in Schlechdorf entzückte. Papa zu sagen hat sie wieder gelernt auch gewinnt sie täglich mehr Fertigkeit im gehn, die Hülfe eines einzigen Fingers reicht hin, die enbehrte sie aber um die Welt nicht, denn das gescheute Dingelchen kennt gar wohl die Gefahr. An Apetit und Schlaf gibt sie auch ihren Brüdern nicht nach. Die Badegesellschaft schmilzt immer mehr zusammen, täglich sieht man Wagen zum Abfahren bereit und selten tönt noch die Musick die Ankommende begrüßt. Von bedeutenden Fremden nenne ich Dir noch Strogonoff und Frau von der Recke, der ich gestern aufwartete weil sie mehrmals zu mir schickte. Das Theater schließt man heute auch, natürlich ist es von mir nicht betreten worden.

Lebe recht wohl, lieber theurer Freund! ich drücke Dich und die Kinder in Gedanken zärtlich an mein Herz. Julchen grüßt bestens.

P.

Grüße die Freunde wenn sie nach mir fragen daß ich den guten G˖[oluchowski] nicht mehr finde bedauere ich herzlich.