Liebster Bruder!
So eben kamen Deine beide Knaben hier an, und sagen mir, daß sie früh nach Erlangen abreisen dürfen. Ich benutze daher diese Gelegenheit, Dir nur mit einigen Worten Nachrichten von dem Stande der Dinge bei uns zu geben.
Den ist meine Frau gantz glücklich und gut von einer Tochter entbunden worden, und hat sich seitdem mit der Kleinen gantz gut befunden. Das Kind ist nicht so groß und starck, wie unser lieber Karl war, und gehört zu dem Mittelschlag von Kindern, ich baue aber ebendarum und weil es ein Mädchen ist, darauf die frohe Hoffnung, daß es uns um so eher erhalten werden wird. Das Kind ist sogl˖[eich] den darauf folgenden getauft worden, und zwar aus dem Grunde, weil wenige Tage vor der Niederkunft meiner Frau ihre Schwester Auguste sich mit einem Herrn Kessler aus Rheims versprochen hat, und dieser welcher dem darauf folg˖[enden] nach Rheims zurückreisen sollte, nach hiesigem LandesGebrauch und unserem Wunsche gemäß mit seiner Braut zu Gevatter stehen sollte. Zugl˖[eich] haben wir es uns erlaubt, Deine liebe Frau als Pathin des Kindes in das Taufbuch einschreiben zu laßen, in der Überzeugung, daß sie diesen unsern Wunsch nach ihrer gewohnten Güte, in welche wir die Kleine auch bestens empfehlen, auch ohne vorausgegangene Bitte gewiß gerne erfüllt haben würde. Auch wird es mir Deine liebe Frau zu gut halten, daß ich sie nicht in einem eigenen Schreiben um diesen Liebesdienst ersucht habe, in der Zwischenzeit war ich aber, da wir leider diesen wieder mit einer Gallen- Schleim- und NervenfieberEpidemie heimgesucht sind, mit meiner Zeit stets im ärgsten Gedränge, und vermuthete immer, daß ihr noch im Karlsbad seyn werdet. Die übrigen Pathen waren meine SchwiegerEltern, unsere Schwester, die Schwägerin von Neuenstadt, die Oberstin Haller, und mein Schwager Wächter. – Da es Dich oder Deine liebe Frau vielleicht interessirt, etwas näheres über die Brautschaft meiner Schwägerin Auguste und Herrn Kessler zu hören, so will ich Dir Einiges mittheilen. Kessler ist ein gebohrner Württemberger aus Heilbronn, und seit 12–13 Jahren in Franckreich, seit einigen Jahren aber mit einem großen WeinhandlungsHause und einem WechselGeschäfte in Rheims associirt, zugl˖[eich] aber Direktor und Mittheilhaber einer großen Fabrik, welche das genannte Rheimser Haus in Esslingen seit etwas länger als einem Jahre etablirt hat. Er ist ein feiner gewandter Weltmann, ist aber dabei allen Nachrichten zufolge, welche man von ihm eingezogen hat, und wie wir ihn auch kennen gelernt haben, ein sehr braver aufrichtiger Mann von gutmüthigem Charakter. Er muß jährlich 4–5 Monate in Rheims und die übrige Zeit in Esslingen zubringen. Das Haus in Rheims ist sehr solid, und sendet jährlich seine Schiffe mit Champagner beladen nach Russland etc. etc. Er war 7 Jahre lange mit einer Nichte des bekannten
Nun nur noch recht viele Empfehlungen von meiner Frau, welche Dich und Deine liebe Frau nochmals mit mir bittet, unsere Kleine Eurer Liebe empfohlen seyn zu laßen. Klärchen ist gesund und wohl, und hat die größte Freude an der Kleinen, mit welcher sie in den lezten Tagen täglich 2mal spazieren gegangen ist.
Leb recht wohl, ich wünsche von gantzem Herzen, daß auch dieses mal das Karlsbad recht günstig auf Deine und Deiner lieben Frau Gesundheit gewirkt haben möge!
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]
Karl
Stuttg˖[art] den