Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Wie soll ich es nur anfangen, liebster Freund, mich zu entschuldigen, daß ich auf Deinen so freundschaftlichen und für mich in jeder Hinsicht so werthen Brief vom erst heute antworte? Ich könnte zu meiner Entschuldigung mehrere Blätter beylegen, auf denen Briefe angefangen, aber durch einen besondern Unstern nie vollendet worden sind. Deine große Güte gegen mich und die feste Überzeugung von der Unwandelbarkeit meiner Freundschaft muß auch hier das beste thun.

Nun ohne Aufschub zum herzlichen Glückwunsch über die erfüllte, so gerechte, so natürliche Hoffnung. Meines Antheils könntest Du versichert seyn, hättest Du mir auch nicht ein besondres Recht gegeben, mich des kleinen Sprößlings zu freuen. Ich habe darinn ganz Deine freundschaftliche Gesinnung erkannt und fühle tief das Zutrauen, welches Du und Deine Frau Gemahlin durch die Ertheilung eines so schönen Rechtes mir erzeigt. Möchte ich je im Stande seyn, dem künftigen Weltbürger, dem Du meinen Namen beyzulegen würdigtest, auf der schwierigen Bahn des Lebens durch Rath oder That nützlich zu werden. Hoffentlich finden diese Zeilen Dich zusammt der Deinen und meinem kleinen Pathen insbesondre im besten Wohlseyn.

Ich habe es gewiß mehr als Du bedauert, daß Du bei der letzten Preisfrage nicht mit in die Schranken getreten. Mannert erhielt den Preis durch die bloße Wirkung jenes Parteygeistes, den einige für nöthig halten, um die Protestanten und dadurch sich, (weil ihre Personen es nicht vermögen) bey den Baiern in Respekt zu setzen. Die Preisrichter erklärten selbst, daß die Schrift in ihrer dermaligen Gestalt nicht erscheinen könne, daß sie durch unedle (jenem Autor geläufige) Ausdrücke, durch Mangel hinlänglicher Nachforschung in mehreren Punkten wesentliche Verbesserungen nöthig mache. Durch nicht sehr löbliche Kunstgriffe wurde sogar dem Verf˖[asser] sein eingesendetes Original-M[anu]sc[ri]pt˖ zurückgestellt, wovon er jetzt sogar die Abschrift verweigert, so daß die Akademie nie wieder nachweisen kann, was in der Handschrift, als sie gekrönt wurde, gestanden, was nicht. Unsre ehrlichen bai˖[rischen] Historiker, Westenrieder, Pallhausen u.a. sind über dieses Verfahren höchlich, wie billig, entrüstet; auch sind nun höheren Orts Maßregeln getroffen, daß dergleichen nicht wieder geschehen kann.

Die neueste vor wennigen Tagen bekanntgemachte Preißfrage betrifft das Leben und die Verdienste der bai˖[rischen] Herzoge, Wilhelm und Albrecht, um Künste und Wissenschaften. Diese Materie ist nun so speciell, daß sich schwerlich auf ausländische Preiswerber rechnen läßt. – Was die Denkschriften betrifft, so könnte ich Dir in keinem Falle rathen, sie anzukaufen, indem Du wegen einiger doch nicht allgemein bedeutender historischer Aufsätze auch die andern mineralogischen botanischen, anatomischen, mathem˖[atischen] u.s.w. mit bezahlen müßtest. Ich werde suchen, zu bewerkstelligen, daß die bisher erschienenen Bände Dir zugeschickt werden. –

Wie ich mir in polemischer Hinsicht auch einmal wieder etwas zu gut gethan, wirst Du bey dem Lärmen, den es besonders in unsrem lieben Schwabenland gemacht zu haben scheint, wohl gehört haben. Ich wünsche, daß Du meine Schrift lesest, die Du von Maulbronn aus leicht bekommen kannst. Es ist mir wenigstens gelungen, einen der verfolgungssüchtigsten und giftigsten Feinde des höheren wissenschaftlichen Strebens mundtodt zu machen, daß auch seine Anhänger zwar mit neuen Lügen, (denn deren Möglichkeit ist unendlich) aber mit keinem wahren Wort erwiedern können. Meine lieben Landsleute hätten es zwar, wie ich aus einigen Sachen fast schließen kann, lieber gesehen, wenn ich untergelegen; dagegen habe ich da wo es galt und noch gilt die entschiedenste und erwünschlichste Wirkung hervorgebracht. Das Buch ist im Übrigen, so stark einzelne Äußerungen in der Ferne auffallen mögen, nach der gewissenhaftesten Überzeugung geschrieben; es ist im Ausland vielleicht zum Theil, hier aber von niemanden, der nicht zu der betroffenen Partey gehört zu hart gefunden worden.

Mit unsrer Akademie hat sich seitem eine bedeutende Veränderung zugetragen. Von nun an ist die oberste Leitung und Aufsicht der ganzen Anstalt in den Händen eines beständigen König˖[lichen] Commissärs, das Publikum sieht diese Verfügung als eine stillschweigende, schonende Absetzung des bisherigen Präsidenten an, die er auch wohl verdient hat. Zum Glück lassen die persönlichen Eigenschaften und Einsichten des ernannten Commissärs alles Beste hoffen.

Inwiefern ich durch meine Schrift zur Beschleunigung dieser Maßregel beygetragen haben sollte, kann ich mir ein wahres Verdienst um die bai˖[rische] Nation, (die es auch laut erkannt hat) und die Sache der Wissenschaft zuschreiben.

Das erste Heft meiner Zeitschrift befindet sich unter der Presse. Ich habe vieles auf dem Herzen und hoffe durch dieselbe in der That auch zu wirken. Ich wende mich jetzt noch dringender an Dich und ersuche Dich, mich sobald als möglich mit Beyträgen zu erfreuen. Der »von Deutschen in fremdem Sold« wäre mir höchst erwünscht. – Du schreibst von neuen, glücklichen Untersuchungen über die Ursprünge des Hauses Wirtemberg. Möchtest Du denn nicht diese auch meiner Zeitschrift überlassen? Historie ist mein vorzügliches Absehen bey derselben; auch die gelehrtesten Recherchen schließt ihr Plan nicht aus. Was denkst Du mit der Lebensbeschreibung Herzog Christophs zu thun? – Besondere Abdrücke von jedem solchen Aufsatz könnte ich Dir immer verschaffen. Eine gute Zeitschrift (und ich hoffe, die meinige soll eine solche werden) ist für literarische, was eine Ausstellung für Kunstwerke. Um was ich Dich aber hauptsächlich ersuchen möchte, wären Beurtheilungen einzelner historischer Werke. Hier stellen sich nun fürnehmlich Fr. Schlegel’s Vorlesungen als bedeutend, als wohl werth eines kräftigen Wortes dar; denn von allen Arten der Sophistik scheint mir doch die historische die allerempörendste. – Sehr angenehm wäre mir auch eine strenge Beurtheilung von Mannert’s Biographie Ludwig’s des B˖[ayern], eine von Breyer’s Geschichte des dreißigjährigen Kriegs; denn vaterländisch-bayersche Sachen werde ich überall vornehmlich berücksichtigen. – Nach den gegenwärtigen leidigen Verhältnissen des Buchhandels kann ich den Mitarbeitern freilich kein sehr großes Honorar versprechen; doch hoffe ich von dem Buchhändler für Dich 18 fl. für den ansehnlich gedruckten Bogen zu erwirken. Laß mich nun über dies alles bald Deine Gesinnungen wissen. – – Empfiehl mich Deiner lieben Frau bestens; küsse und segne auch den Kleinen für mich. Grüße alle Freunde, die sich meiner erinnern. Auch dem ehrwürdigen Schnurrer bezeuge gelegentlich mein Andenken; es ist zwar ein kleiner Umweg, doch weiß ich nicht, ob ich so bald nähere Gelegenheit finde.

Lebe wohl und fröhlich, und laß mich das lange Schweigen nicht entgelten. Ganz
Dein

Schelling

N.S.

Könntest Du mir die Reime schicken, welche in der Capelle zu Staufen unter Barbarossa’s Bildnis stehen? In Angermüller’s (so heißt glaube ich der Pfarrer) Schrift sind sie angeführt. Wie alt glaubst Du sie?