Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Hochzuehrender Herr und Freund!

Ihren lieben Brief ließ ich geraume Zeit unbeantwortet, weil ich hörte, Sie seyen im Carlsbade. Seitdem habe ich von mehreren Seiten, und neuerlich von den Herren Dr. Kapf und Prof. Heller die mir sehr erfreuliche Nachricht erhalten, Sie seyen mit gestärkter Gesundheit zurückgekehrt. Ich verwende daher die erste Muße, die mir die Ferien gewähren, um Ihnen diese meine Freude über Ihre gänzliche Wiederherstellung zu bezeugen, und Ihnen für die liebevollen Gesinnungen zu danken, die Ihr werthes Schreiben so unzweideutig ausspricht. Nun dürfen wir auch hoffen, von Ihnen bald mit den so sehnlich erwarteten Früchten Ihrer großen Forschungen und Speculationen beschenkt zu werden. Dies darf ich wohl ohne Unbescheidenheit sagen, daß wenige Personen in Deutschland seyn werden, denen mit Ihrem angekündigten Werke ein größerer Dienst geschieht als mir.

Daß unser Herr Dr. Paulus in den täglich mehr sinkenden Heidelb˖[erger] Jahrb˖[üchern] nach seiner Weise über Ihr Buch geredet, wird Ihnen eben nicht befremdlich vorgekommen, aber auch sehr gleichgültig seyn. Indessen hielt ich’s doch für meine Pflicht, gerade weil ich auch hier lebe, meine Ansichten in der Vorrede zum 4ten B˖[and] der Symbolik auszusprechen. Es ist nur schade, daß der sonst wackere Dr. Sickler mit seinen gewaltsamen Deutungen und unglücklichen Herleitungen wirklich den Gegnern manche Blößen giebt. Ich habe dem wahrheitsliebenden Manne dieses schon im vorigen ganz unverholen geschrieben; und wünschte, daß er seine schnelle Schriftstellerey etwas zügeln möchte.

Sollten Ihnen Inghirami’s Monumenti Etruschi noch nicht bekannt seyn, so mache ich Sie darauf aufmerksam, zumal da der Verfasser mir schon länger den Auftrag gegeben, Ihnen besonders beiliegendes Blättchen mitzutheilen. Es sind von dem Werke bereits ziemlich viele Hefte erschienen, und Sie werden es wohl dorten nicht entbehren können.

Wie soll ich Ihnen nun für die Wünsche danken, die Ihr lezter Brief enthält. Ich kann mit Wahrheit sagen, daß ich sie mit gerührtem und dankbarem Herzen vernommen. Am wenigsten hätte ich geglaubt, daß ein so vielbeschäftigter Staatsmann, wie der Herr Graf von Montgelas meinen mythologischen Versuchen Aufmerksamkeit geschenkt. – Aber unser Herr von Leonhard hatte mir schon früher von dessen großem Interesse am Gang der Litteratur viel merkwürdiges gesagt. Was nun den Inhalt Ihrer gütigen Aeußerungen betrift, so haben Sie mit Recht vermuthet, daß München kein Ort für mich sey. Leider habe auch ich über eine sehr empfindliche Cörperconstitution Klage zu führen. Einem Gedanken an eine Professur in Erlang darf ich aber aus mehreren Gründen nicht Raum geben, so ehrenvoll es für mich seyn würde, mit Ihnen an ein und derselben Anstalt zu wirken. Ohne eigenes Vermögen und bei bedeutenden litterarischen Bedürfnissen muß ich den Betrag des Gehalts, den ich jährlich zu beziehen habe, sehr in Anschlag bringen. Nun habe ich aber eine Besoldung von 2650 fl, und die Honorarien für Vorlesungen sind auch nicht unbedeutend. Daneben bin ich wegen der Direction des philosophischen Seminar, von allen Functionen der sogenannten Eloquenz, von allen Sitzungen ### engeren Senats und von dem Prorectorat befreit. Da ich nun ### 50 Jahre alt bin, und dahier zu den alternden Professoren gehöre, so wäre einerseits vielleicht eine neue Verändrung für mich mißlich, und andererseits möchte die Königlich Bairische Regierung solche nach und nach abgängige Kräfte leicht zu theuer kaufen. Sie werden Selbst sehen, daß es unter solchen Umständen für mich am gerathensten ist – an meinem alten Platze so lange zu lehren und zu wirken als es gehen will, und die Badische Regierung muß sich nachher einen Emeriten eher gefallen lasse, da ich nun seit 18 Jahren in ihren Diensten thätig gewesen. Glücklicher Weise kann auch mein alter guter Freund Voß mir hier nicht mehr schaden als an jedem andern Orte, da er mit unserer Universität nicht in der geringsten Verbindung steht. Indem ich Ihnen, hochverehrter Freund, so meine hiesige Lage ganz aufrichtig beschreibe, wiederhole ich den verbindlichsten Dank für Ihre mir so theuren Gesinnungen. Hoffentlich wird es mir ja noch so gut werden, Ihnen einmal persönlich meine Danksagung zu wiederholen. Daß ich übrigens gegen die Herren Kapf und Heller von dem Allem nichts merken lassen, versteht sich von selbst. – Hoffentlich hat der junge Polnische Professor Ihnen vor einigen Wochen den 4ten B˖[and] der Mythologie und den Olympiodor richtig überbracht. Nehmen Sie diese Bücher mit Ihrer gewohnten Güte auf. Ich werde mich nun einige Jahre stille verhalten, und ganz dem Plato, Aristoteles und Plotin leben. Wills Gott, so werde ich die Ausgabe des Leztern, wozu schon Alles von mir gesammelt ist, in 4 Jahren vollenden können.

Erhalten Sie mir ferner Ihr Wohlwollen. Ich beharre mit wahrer Hochachtung
Ihr
ergebenster

Fr. Creuzer